Dirk Salz – von Dr. Gabriele Uelsberg – August 2021

Dirk Salz ist in seiner Kunst mit Farbmalerei befasst wie ein klassischer Maler,  wenngleich er wie ein Bildhauer arbeitet und das Bild als gestaltetes Volumen vollendet. Schicht für Schicht entwickelt er aus der Materialität seiner unterschiedlichen Werkstoffe mit Pigmenten,  Harzen, Aluminium oder Holz Bildobjekte, deren innere Unendlichkeit, Farbe und Licht sich gleichermaßen in einem Dialog mit den Betrachtern intensivieren.

Dirk Salz grundiert seinen Bildträger, der in der Regel aus Holz- oder Aluminiumplatte besteht, meist schwarz und legt dann die pigmentierten Harzschichten sukzessive darüber, so dass sich die Farbigkeit vom Dunkel ins Licht aufbaut und so ein ganz natürliches Erscheinungsbild aufweist. Die letzte obere Schicht wird in der Regel transparent und stark glänzend gestaltet und ist die Schwelle des Betrachters zum Eintritt ins Bild und zur Spiegelung seiner selbst. Diese Spiegelungen sind auch untrennbar mit dem Werk selbst verbunden und zeigen in einem sehr ambivalenten Gesamtspiel das Licht als einen eminent wichtigen Aspekt in den Erscheinungsformen dieser Arbeiten. Oftmals können durch den seitlichen Lichteinfall sogar radiale Strahlen von den Bildrändern ausgehen, die an die Wand geworfen sind, so dass das Bild sich über sein eigentliches Format hinaus in den Raum ergießt.

Die Verwendung von pigmentierten Harzen gibt der Farbigkeit einen stofflichen Umraum, in dem das einzelne Pigment umschlossen wird und dadurch wie ein Reflektor für das Licht wie für den betrachtenden Blick fungiert. Die farbtragenden Partikel schweben gleichsam in dem semitransparenten Trägerstoff Harz und bauen so einen dreidimensionalen Luftraum im Bildkörper auf, der mit Farblicht erfüllt erscheint. Die Verwendung dieser zwar sehr transparent aber auch undurchdringlich festen Stofflichkeit der Harze führt aber auch dazu, dass sich die Arbeiten in sich selbst verschließen und so mit dem Rezipient in einen Dialog treten, in dem der Betrachter sich selbst fast als Bestandteil der inneren Farbsemantik gespiegelt und eingetaucht sieht. Die Werke werden zu hermetischen Farbbatterien, die in sich das Potential tragen, Farbigkeiten in ihrer Komplexität zur Anschauung zu bringen.

Die Auswahl der Materialien erfolgt immer unter seiner sehr strengen und reduzierten Sicht auf Oberflächen, auf graduelle Differenzierungen, auf farbliche Reduktionen und speist sich nicht aus dem Gegensatz von Stoffen und Oberflächen sondern eher im Gegenteil: die Materialien geben ein sehr subtiles Credo für einen gestalterischen Minimalismus, der ein Maximum an Prozessen in Zeit und Raum deutlich werden lässt.

Die Oberflächen der Bildgestaltungen von Dirk Salz wirken aus der großen Distanz sehr homogen und von nahezu kühler Präsenz. Erst in der Nähe durch Annäherung an die Bildobjekte selbst werden die unterschiedlichen Schichten und Überlagerungen im Innern offenbar. Dann in der unmittelbaren Nähe zur Oberfläche entwickelt sich eine Sogwirkung ins Innere der Bilder, die die unterschiedlichen Strukturen von Malerei gleichsam reflektieren, ohne sie unmittelbar preiszugeben.

Faszinierend ist in der Anschauung, dass die Technik des Aufeinanderschichtens und der Ausbildung eines dreidimensionalen Farbraumkörpers einhergeht mit einer absolut reduzierten Dichte und Dicke der einzelnen Farbschichten, die in Lasuren und in vielen Überlagerungen sich zu einem solchen inneren Körper aufbauen. Dazu werden Teile des Bildes abgeklebt, die im nächsten Arbeitsgang mit nicht pigmentiertem Harz gefüllt werden und so Räume reinen Lichtes im Inneren der Komposition schaffen. Das komplexe Netzwerk von farbigen Flächen und Formen mal transparenter, mal dichter in den sie überschneidenden Schichten ist alles andere als zufällig. Die Anzahl der erforderlichen Schichtungen, die Materialien, die Farbigkeiten und die Abfolge der Flächen untereinander sind vorab präzise geplant und angelegt. Arbeitsgänge und Richtungen sind komplex und erweisen sich als Prozesse einer zeitlichen Verdichtung.

Farbe, das lehrt uns auch die Natur, ist weniger eine Qualität der Oberfläche, sondern eine  Beschaffenheit der Objekte und ein Zustand, der für mehr zutrifft als nur für die oberste Schicht. Farbe als Wahrnehmungsphänomen ist auch eine Erfahrung im Raum, die sich nicht an der Oberfläche sondern im Raum zwischen dem Objekt der Betrachtung und dem Betrachter selbst vollzieht.

Wenn ich den Begriff „Farbraumkonstruktion“  für die Arbeiten von Dirk Salz in Anwendung bringe, so erinnere  ich mit diesem Wort auch bewusst an die Arbeiten von Gotthardt Graubner, der den Begriff des Farbraum­körpers geprägt hat. Der Begriff  ist gebildet aus Farbraum und Körper und verbindet in dieser Zusammensetzung scheinbar Gegensätzliches. Farbräume, so lehrt es die Seherfahrung, sind ihrer Natur nach nicht messbar, im Gegensatz von Körpern. In diesem Sinne können Farbräume selbst nie Körper darstellen und Körper selbst nur unzulänglich Farbräume gerieren. Graubner vermittelt in seinen – allerdings auf Nessel und Stoff mit Farbe gemalten – Farbraumkörpern das, was Max Imdahl als „unabschließbare Erfahrung einer nicht erschließbaren Erscheinung“ definiert hat. Statt Farbraumkörper sei bei Dirk Salz der Begriff der Farbraumkonstruktion verwendet, denn seine Schichtungen sind auch innerbildbliche Architekturen, die den Raum nicht nur erweitern sondern das Sehen auch strukturieren.

Dr. Gabriele Uelsberg  – im August 2021